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Kindheit, Jugend, Familie

Themenbereich des ISS

Aufarbeitungsstudie zum erzbischöflichen Studienseminar St. Michael, Traunstein

Forschung und Öffentlichkeitsarbeit zu Gewaltvorwürfen gegen Jungen in den 60er - 80er Jahren

Wo feste Hierarchien herrschen, ist die Gefahr des Machtmissbrauchs besonders groß. Auch deshalb sind in den letzten Jahren Institutionen wie die Kirche vermehrt in den Fokus gesellschaftlicher Debatten gerückt, wenn es um Gewalt gegen Kinder und Jugendliche geht. Betroffene finden oft erst im Erwachsenenalter ihre Stimme, um über das Erlebte zu sprechen. Ein wichtiger Schritt im eigenen Umgang damit kann Aufarbeitung sein. Das bedeutet einerseits, Raum für Geschichten Betroffener zu schaffen und sie in die Öffentlichkeit zu tragen. Andererseits meint dies den systematischen Blick auf die Umstände, die Machtmissbrauch begünstigt oder sogar zugelassen haben.

Diesem Prozess widmet sich auch das erzbischöfliche Studienseminar St. Michael in Traunstein (Oberbayern). Konkret geht es um Vorwürfe körperlicher, psychischer, spiritueller und vereinzelt sexualisierter Gewalt in den 60er, 70er und 80er-Jahren. Ausgeübt wurde sie vermutlich durch kirchliche und nichtkirchliche Angestellte gegen die im Seminar untergebrachten Jungen. Im Jahr 2020 konnte einer der Betroffenen das Schweigen brechen und wandte sich mit seiner Geschichte in einem Zeitungsartikel an die Öffentlichkeit. Dieser Schritt brachte den Aufarbeitungsprozess erst ins Rollen. Die Leitung des Studienseminars lud Betroffene zu einem Gesprächsabend im Sommer 2020 ein, u. a. mit der Anfrage an die Gruppe, welche Wege der Aufarbeitung diese wünsche. 

Nach einer der Pandemie geschuldeten Verzögerung initiierte ein ehemaliger Seminarist die Empfehlung für eine umfassende Aufarbeitungsstudie. Dies tat er in seiner Funktion als Mitglied des regionalen Betroffenenbeirats und im Austausch mit Bistumsleitung und Aufarbeitungskommission (UAK) der Erzdiözese München und Freising. In einem zweijährigen, intensiven Prozess erarbeiteten mehrere betroffene, ehemalige Seminaristen, das Studienseminar und die Erzdiözese, wie die Forschung gestaltet werden und wer diese übernehmen solle.

Die Entscheidung fiel auf das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. und seit 2025 setzen wir nun die sozialwissenschaftliche Aufarbeitungsstudie um. Gemeinsam verfolgen wir vier Ziele:
•    Primär Betroffenen, aber ebenso anderen ehemaligen Seminaristen und ehemaligen Angestellten die Möglichkeit zu geben, ihre Erfahrungen zu benennen und gehört zu werden.
•    Vorwürfen körperlicher, psychischer, spiritueller und sexualisierter Gewalt am Studienseminar im Zeitraum von 1966 bis 1985 systematisch nachzugehen.
•    Strukturen im ehemaligen Studienseminar zu analysieren: Was hat das Ausüben von Gewalt begünstigt, waren pädagogische Konzepte auf dem Stand ihrer Zeit, welche Hilfe-Angebote wären nötig gewesen?
•    Erkenntnisse aus Vergangenem für den künftigen, gewaltsensiblen Umgang im Kontext Kirche abzuleiten.

Da im Studienseminar zu selben Zeit auch positive und bestärkende Erfahrungen gemacht wurden, wollen wir durch unsere Forschung „Licht und Schatten“ dieser Zeit aufzeigen. Den unterschiedlichen Erfahrungen Betroffener und Nicht-Betroffener nähern wir uns über narrative Interviews und Fallstudien. Archivunterlagen des Studienseminars sollen helfen, einen Überblick über dessen historische Strukturen und das Leben am Seminar zu gewinnen.

Aufarbeitung ist nicht nur ein persönlicher Prozess, sondern muss zu einem öffentlichen werden, damit sich etwas verändert. Deshalb ist Öffentlichkeitsarbeit ein wichtiger Teil des Projektes. Geschichten der ehemaligen Seminaristen und Angestellten und strukturelle Erkenntnisse werden wir in verschiedenen medialen Formen veröffentlichen. Die Studie wird von der Stiftung Studienseminar St. Michael in Auftrag gegeben und vom Erzbistum München und Freising vollständig finanziert. Mit ersten Veröffentlichungen ist im Frühling 2026 zu rechnen.

Laufzeit: Februar 2025 - September 2026

Fördergeber: Stiftung Studienseminar St. Michael (Auftraggeber), Erzdiözese München und Freising (Finanzierung)

Team: Judith Dubiski (Projektleitung und Studiendurchführung), Marius Hilkert (Studiendurchführung), Theresa Köchl (Öffentlichkeitsarbeit), Wolfgang Kleemann (Moderation und beraterische Begleitung)

Judith Dubiski
Bereichsleitung Gesellschaftliche Teilhabe - Themen: Familie und Wohlfahrt
069 95 789 - 175
judith.dubiski(at)iss-ffm.de